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By
Jessica
Ja, vielleicht klingt unser Titel „Vorsorge statt Nachsorge“ verstaubt. Was dahinter steckt fasziniert, polarisiert und alarmiert zugleich! Junge Menschen setzen auf Gesundheitsvorsorge, um das Wohlbefinden langfristig zu garantieren. Sinnbild sind Self-Care-Maßnahmen, welche längst fester Bestandteil im Alltag vieler Teens und junger Erwachsenen sind. So weit, so gut. Vorausschauendes Gesundheitsmanagement, oder?
Kritischer wird es, wenn wir darüber sprechen, wie Kinder aktuell (viel zu früh) zum Gegenstand eines Vorsorge-Drucks werden. Der Name „Sephora Kids“ hat sich auf TikTok etabliert. Statt Glitzer im Gesicht und Klebe-Tattoos auf der Haut (alle 90er Kids erinnern sich) teilen die 8- bis 12-Jährigen hier ihre exzessiven Beauty-Routinen. Zum Einsatz kommen teils hoch dosierte Anti-Aging-Produkte, um zukünftige Falten bereits im Kinderzimmer zu bekämpfen. Quelle Abgesehen von gesundheitlichen Risiken für die Haut, wird das Selbstbild in den entscheidenden Entwicklungsjahren durch diesen Trend gestört. Überwiegend betroffen: Junge Mädchen.
Wie kommt es zu dem jungen Vorsorge-Mindset? Den Grundstein haben die Eltern von Gen Z und Gen Alpha gesetzt. Als gute Vorbilder und Erzieher haben sie die Zeit beim Zähneputzen gestoppt und ihre Kinder stets zu Vorsorgeuntersuchung begleitet. Grundlage dafür: Das Privileg in einem gut entwickelten Gesundheitssystem aufzuwachsen, welches Kosten übernimmt und zugänglich ist. Quelle
Bei der Generation Z sind es (wenige Jahre später) die eigenen Erlebnisse und Erfahrungswerte in der Corona Pandemie, welche den Mindset weiter geformt haben. Sie haben erfahren, wie verletzlich der eigene Körper – körperlich & mental – ist und wie wertvoll das Gut Gesundheit. Quelle Laut einer Studie der Pronova BKK wünschen sich 65% der 16–29-Jährigen weitere Vorsorgeuntersuchungen als Kassenleistung um Krankheit vorzubeugen. Etwas worüber sich vorausgegangene Generationen in diesem Alter kaum Gedanken gemacht haben. Quelle Der Vorsorge-Mindset der Gen Z ist von Ängsten geprägt. Während die Pandemie für sie ein Einschnitt in der prägendsten Phase des Lebens war, können sich die meisten Gen Alpha Kids kaum an ein Leben davor erinnern. Desinfektionsspray, Masken zum Schutz vor Viren in der Luft und Eltern, die im Homeoffice arbeiten, sind für sie normal. Denn: Vorsorge war immer Teil ihres Alltags gewesen. Dazu kommt der direkte Einfluss und die Reichweite der sozialen Medien, welche Trends wie den „Sephora Kids“ erst möglich machen. Quelle Kinder orientieren sich hier selbstverständlich an geteilten Inhalten. Sind mit Themen konfrontiert, die in ihrer Altersgruppe sonst kaum eine Rolle spielen würden.
Ein Ergebnis: Retinol und Glykolsäure statt Feenstaub! Junge Mädchen schwärmen von Feuchtigkeitspflege und bitten ihre Eltern im Drogeriemarkt ihnen Anti-Falten-Creme zu kaufen. Dabei kennen sie sich bestens aus mit Fachbegriffen und Inhaltsstoffen. Eine Form von Vorsorge, die körperlich und psychisch als gefährlich einzuordnen ist.
Jedes 2. Mädchen (10-17 Jahre), befürchtet, sich später Sorgen, um das eigene Aussehen machen zu müssen. Studie Dove & Edelman DXI, November 2023 Quelle Warnungen von Experten kommen bei den Kids nicht an. Grund sind meistens die falschen Kanäle und die nicht passende Übersetzung. Auch viele Eltern erkennen die Gefahr nicht, sehen die Videos als harmloses Spiel.
„Die Mädchen in den Videos spielen nicht mit Puppen, wie man es in ihrem Alter erwarten würde - sie sind die Puppen" Michael Stora, Psychoanalytiker Quelle
Während der Trend Kinder unter Druck setzt und Dermatologen verzweifeln lässt, nutzen einige Marke ihre Reichweite, um ein Zeichen zu setzen. Quelle Die Unilever Marke Dove (bekannt für einen Fokus auf gesundes Selbstbild) , positioniert sich aktuell mit der Kampagne #TheFaceof10 auf TikTok. Dove erreicht Kinder direkt, setzt einen Gegentrend zur digitalen Anti-Aging Bewegung und fördert bewussten Umgang mit dem Vorsorge-Mindset im Kindesalter. Statement, Aufklärung und Call to Action zugleich. Dank user-generated-content hat die Gegenbewegung schnell an Reichweite gewonnen. Quelle #TheFaceof10 macht Lust auf Feenstaub und lässt Anti-Aging-Creme alt aussehen. Auch die Marke Kiehl’s hat sich dazu entschieden zu handeln, mit vergleichbarer Botschaft aber differenzierter Strategie und konzeptioneller Übersetzung. Die Print-Kampagne der Marke zielt darauf ab, Eltern und Wegbegleitende zu erreichen und hier Bewusstsein für die Situation zu schärfen. Plakativ und eindrücklich werden emotionale Bilder von Kindern mit starken Statements wie „The Only Anti-Aging Cream Kids should buy“ dargestellt. Quelle Zwei inspirierende Kampagne, die weit mehr schaffen als Aufmerksamkeit für die Marken. Quelle
Neues Mindset, neue Anforderungen; Das bezieht sich auf die Vorsorge-Maßnahmen, aber auch die Aufbereitung begleitender Kommunikation. Die Offenheit der jungen Menschen ist eine große Chance, lässt gleichzeitig schnell Irreführung zu. Zu filtern was gut ist und guttut, ist nicht einfach – gerade für Kinder und Jugendliche, die ihren Körper gerade erst kennenlernen. Die Regel: Relevant vermittelte Informationen erlangen ihre Aufmerksamkeit – unabhängig von deren Richtigkeit.
Gesundheitssystem und angelehnte Fachbereiche tragen Verantwortung dafür, sensibel mit dem Vorsorge-Mindset umzugehen. Als Absender ist es wichtig zu verstehen, dass Vorsorge heute zu einem großen Teil im Alltag stattfindet. Es braucht qualitative Aufklärung und Beratung, welche die junge Zielgruppe hier erreicht und individuell unterstützt. Quelle Eine Generation, die digital vernetzt ist und in kontinuierlichem Austausch steht, hat kein Verständnis dafür, warum noch analog gearbeitet wird. Warum Anlaufstellen nur telefonisch erreichbar sind oder Angebote, die den eigenen Lifestyle begleiten, nicht ansprechend gestaltet sind. Quelle
Das passende Vorsorgeangebot; Wie neue Wege zur Vermittlung von Gesundheitskompetenz aussehen können, zeigen die Programme der BARMER Krankenkasse. Mit „DURCHBLICKT!“ bietet die Krankenkasse ein Präventionsprogramm zur Stärkung der Medien- und Digitalkompetenz. Das Programm vermittelt fundierte Inhalte in ansprechenden Formaten. „DURCHBLICKT! – digital in eine gesunde Zukunft“ bringt digitale Gesundheitskompetenz mit Lehr- und Lernangeboten, die sich an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz orientieren, ansprechend und ohne Umwege in die Schule. Case
Der BARMER Campus Coach ist darauf ausgerichtet, Studierende sowie Hochschulen in ihrem Bildungsalltag zu unterstützen. Auf der digitalen Plattform informiert die Krankenkasse über Ernährung, Fitness, Stress und Sucht. Ziel ist es jungen Menschen direkt an der Hochschule die nötige Orientierung zu bieten und sie zu unterstützen. Case
Auch die Märkte für Kosmetik und Nahrungsergänzung haben verstanden, wie Kommunikation rund um ein Vorsorgeangebot für die junge Zielgruppe funktioniert. Während hier gesundheitsorientierte Produkte lange Zeit kaum Spaß gemacht haben (man die Tiegel und Döschen am liebsten in der Tasche versteckt), sind diese heute zu geliebten Lifestyle Produkten geworden.
Worauf es ankommt? Die Balance aus Wissenschaftlichkeit, Natürlichkeit und Lebensfreude. Interessante Beispiele sind Produkte von her.one oder everydays. Quelle Quelle
Unser Call to Action: Um die positiven Effekte aus dem Vorsorge-Mindset nutzen zu können, braucht es gute Aufklärung. Entscheidend: Die Verbindung aus hochwertigen Inhalten und relevanter Kommunikation. Marken, Institutionen und auch Vorbilder sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein, wie sie zu einem wirklich gesunden Gesundheitsmanagement beitragen können – besonders dann, wenn dies Einfluss auf Gen Alpha nimmt.