EDUCATION
By
Miriam
Zunächst muss man feststellen, dass es nicht viele Artikel und Studien über das veränderte Lernverhalten der Generation Z gibt. Im Vergleich zu den zahlreichen Informationen über „Gen Z und Arbeit“ gibt es wenig über „Gen Z und Bildung“.
Ein Grund dafür könnte sein, dass der Einfluss der jungen Generation am Arbeitsplatz für viele direkt spürbar ist. Die veränderten Ansprüche und Bedürfnisse in Bildungseinrichtungen sind jedoch nur für einen Teil der Gesellschaft sichtbar. Auch gibt es hier strengere staatliche Vorgaben und weniger individuelle Gestaltungsmöglichkeiten als im Arbeitsalltag. Trotzdem zeigen sich auch in der Bildungslandschaft grundlegende Veränderungen.
Anzeichen für Veränderungen im Lern- und Bildungsverhalten der Generation Z:
Skepsis gegenüber klassischen Bildungswegen
Aktuell wird eine Entwicklung diskutiert, die man tatsächlich als bahnbrechend bezeichnen könnte. So zeigen Umfragen, dass junge Menschen, anders als Generationen vor ihnen den Wert von akademischen Abschlüssen in Bezug auf ihr Leben infrage stellen. Hierzu gehört die amerikanische Umfrage „Question the Quo“ vom Juni 2023, die Ansichten und veränderten Prioritäten der Generation Z in Bezug auf Bildung und Arbeit erhoben hat. Befragt wurden Schüler:innen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Besonders spannend: 63 Prozent gaben an, dass sie offen für andere Optionen als einen Hochschulabschluss sind. 59 Prozent sind der Meinung, dass sie auch ohne einen vierjährigen akademischen Abschluss erfolgreich sein können. Und 38 Prozent sagen, dass sie sich aufgrund der Pandemie wohler dabei fühlen würden, einen anderen Weg als den eines Hochschulabschlusses einschlagen.
Auch in anderen Studien wird von der wachsenden Skepsis der Gen Z gegenüber traditionellen Abschlüssen berichtet. Worin alle übereinstimmen: Dieses Phänomen wurde bei anderen Generationen so noch nie beobachtet. Die Erhebung „Gen Z Panel“ von Gallup in Zusammenarbeit mit der Walton Family Foundation, die im Jahr 2023 rund 2.000 junge Menschen im Alter von 12 uns 26 Jahren zu ihren Lernpräferenzen befragt hat, kommt zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: Auf die Frage, ob sie einen akademischen Hochschulabschluss anstreben, fallen die Ja-Antworten von Gen Z-Vertreter:innen um 11 Prozentpunkte weniger aus, als dies noch bei den Millennials vor 20 Jahren der Fall war. Für die Boomer-Generation, Generation X und die Millennials war es undenkbar, klassische Bildungswege infrage zu stellen.
Für junge Menschen hat der Bildungsstatus scheinbar an Priorität verloren. Warum ist das so?
Gen Z ist es gewohnt, sich selbst weiterzubilden
Junge Menschen haben von klein auf Zugang zu einer Fülle von Online-Ressourcen und nutzen diese intuitiv-autodidaktisch, um sich vielfältige Fähigkeiten anzueignen. Von der Programmierung bis zum Grafikdesign, vom Marketing bis zur Datenanalyse – sie erforschen eine breite Palette von Themen, um Wissen und formale Ausbildungen zu erweitern. Digitale Anwendungen ermöglichen On-Demand-Lernen und den nahtlosen Zugang zu internationalen Experten. Mithilfe von KI können Kurse personalisiert auf die eigenen Interessen und Weiterentwicklungswünsche zugeschnitten werden. Es liegt nahe, dass eine Generation, die mit diesen Rahmenbedingungen ausgestattet ist, sich stärker als andere Altersgruppen auf ihre Fähigkeit verlässt, unabhängig von Autoritäten Wissen zu erwerben und Kompetenzen auszubilden. Hierzu passt auch, dass Gen Z „DIYL", also Do It Yourself Learning bevorzugt (81 Prozent), spielbasierte Lernsysteme mag (79 Prozent) und Nutzer-generierte Inhalte in Social Media zu Lernzwecken toll findet (74 Prozent).
Weniger Berieselungs-, mehr Creator-Status
Gen Z verstehen sich nicht als passive Lerner. Sie sind nicht daran interessiert, einfach zum Unterricht zu erscheinen, einen Vortrag zu hören und sich Notizen zu machen, die sie später für eine Prüfung auswendig lernen. Stattdessen erwarten sie, persönlich aktiv zu sein und den Lernprozess positiv zu beeinflussen. Eine von Barnes and Noble College durchgeführte Studie von 13- bis 18-Jährigen spiegelt den Wunsch von jungen Menschen wider, ihren Entwicklungsweg aktiv mitgestalten zu können. Hier bevorzugen 64 Prozent der Befragten Lernen durch Dialog, 60 Prozent Lernen durch eine aktive Problem- und Konzeptbearbeitung und 51 Prozent Lernen durch das Durcharbeiten von konkreten Beispielen. Nur 12 Prozent geben an, dass sie über "Zuhören" lernen wollen. Der Wunsch nach sozialen Interaktionen steht ebenfalls ganz oben auf der Lernpräferenz-Liste von Gen Z. In derselben Studie von Barnes and Noble geben 80 Prozent der jungen Menschen an, dass sie gerne mit Freunden lernen, 67 Prozent sagen, dass das gemeinsame Lernen mehr Spaß macht und 60 Prozent tauschen gerne neue Ideen mit Freunden aus.
Die schlechte Nachricht für Lehrende: Spätestens mit diesen Erkenntnissen wird deutlich, dass die traditionelle Interaktion für Gen Z nicht mehr funktioniert. Die gute Nachricht: Alle Lernenden profitieren von neuen, innovativen Lernformaten, die auf Erfahrungsmaximierung und Zusammenarbeit setzen.
Lernen im „Flow of Work“
„Learning in the Flow of Work“ ist eine Lernform, die 2018 von Josh Bersin, einem Master Mind im Bereich Future Work und Education, entwickelt wurde. Lernen wird hier nahtlos in die täglichen Aufgaben und Arbeitsabläufe integriert und erfolgt nicht mehr separat, in speziellen Lerneinheiten oder Kursen. Wenn man die Aussagen von Gen Z richtig interpretiert, wünschen sie sich genau das: Eine größere Gleichzeitigkeit zwischen Lernen und Arbeiten. Fast 80 % der jungen Menschen legen Wert darauf, während ihrer Schulzeit, Ausbildung oder Studium die Chance zu erhalten, am Arbeitsplatz zu lernen, beispielsweise durch Praktika oder regelmäßige Arbeitsverhältnisse. Dies stellt einen Anstieg um 14 Prozentpunkte seit 2022 dar. Die Gen Z betrachtet Learning-by-Doing in realen Jobumgebungen als äußerst wichtig und schätzt die Möglichkeit, einen Einblick in den tatsächlichen Arbeitsalltag zu erhalten.
Oder doch eher "Flow of Life"?
Gen Z teilt ihr Leben nicht "nur" in Arbeit und Lernen auf, sondern sucht die Balance zwischen vielen Lebensbereichen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist für sie eine wichtige Priorität. Tatsächlich sind zwei der wichtigsten Faktoren, die sich auf die Entscheidung für einen Beruf nach Ausbildung und Studium auswirken: langfristige Verdienstmöglichkeiten sowie körperliche und geistige Gesundheit. Mit anderen Worten: Junge Menschen sehnen sich nach einer sinnvollen Arbeit, die Raum für persönliche Entwicklung und Freizeit lässt. Bildungsinstitutionen sollten daher, genauso wie innovative Arbeitgeber, diese Haltung respektieren und Möglichkeiten der Vereinbarkeit bieten. Dazu passt, dass Gen Z Gefallen an Teilzeit-Lernsettings zeigt. Während 49 Prozent der Gen-Z-Jugendlichen in Vollzeit studieren möchten, können sich 25 Prozent ein Teilzeit-Lernarrangement vorstellen. EdTech-Anbieter und auch die ersten privaten Online-Universitäten bieten mittlerweile selbstverständlich flexibel gestaltbare Lernpfade an. Bei manchen Bildungsangeboten kann man sogar selbst entscheiden, wie viel Zeit man pro Woche investieren kann und möchte. Wann werden Schulen und öffentliche Hochschulen diesen Trend zur Flexibilisierung aufgreifen und integrieren?
Entrepreneurship als spannende Option
75 Prozent von Gen Z Jugendlichen können sich Entrepreneurship als Karriereziel vorstellen und loten aktiv Möglichkeiten diesbezüglich näher aus. Die Mehrheit – 93 Prozent – hat mindestens schon einen Schritt in Richtung Entrepreneurship unternommen. Ein Job als „Creator“ stellt für viele Gen Zler eine faszinierende Rolle dar (84 Prozent) – dicht gefolgt vom „Entrepreneur“ (78 Prozent).
„Scheinbar hat der Zugang zu unbegrenzten neuen Informationen und Ressourcen eine selbständigere und karriereorientierte Generation hervorgebracht“, schreibt Sieva Kozinsky schon 2017 in Forbes. Im gleichen Artikel berichtet sie davon, dass 13 Prozent der Generation Z bereits ihr eigenes Unternehmen gegründet haben. Die Erhebung von Barnes and Noble zitiert 35 Prozent der befragten jungen Menschen, die ein eigenes Unternehmen gegründet haben oder planen, in Zukunft eines zu gründen.
Wie auch immer man diese Zahlen interpretiert: Das Interesse an unternehmerischen, selbstbestimmten und verantwortlichen Aktivitäten scheint bei Gen Z sehr ausgeprägt zu sein. Und nicht nur das: Diese Generation wartet nicht, bis sie einen Job übergeben bekommt. Sie erschafft ihre eigenen Berufsbilder und Tätigkeitsbereiche.
Interessiert an kompetenzbasierter Ausbildung, die lebenslang weitergeht
Der Begriff „Lebenslanges Lernen“ ist fast schon zu einem Buzzword geworden. Für junge Menschen handelt es sich hierbei aber nicht um eine Modeerscheinung, sondern um ein ernst gemeintes Lebenskonzept und um eine Geisteshaltung. So geben 74 % der Generation Z an, dass sie Fähigkeiten erlernen wollen, die sie auf Arbeitsplätze vorbereiten, die in Zukunft gefragt sein werden. Damit aber nicht genug: 70 Prozent wissen, dass sie ihr ganzes Leben lang lernen werden. Fast die Hälfte der Jugendlichen der Generation Z glaubt darüber hinaus, dass sie innerhalb von 10 Jahren eine zusätzliche Ausbildung oder Schulung in einem neuen Beruf oder Fachgebiet benötigen. In diesem Zusammenhang entstehen auch neue Wünsche: 53 Prozent würden sich über Angebote freuen, die sie beim lebenslangen Lernen unterstützen. 37 Prozent der Jugendlichen geben an, dass aus ihrer Sicht eine Ausbildung oder ein Studium, aufgeteilt in mehrere kurze Einheiten (ein Jahr oder weniger) mehr Sinn ergibt als eine lange Ausbildungserfahrung (vier Jahre oder mehr). Von Arbeitgebern wünschen sie sich, dass diese Job-Einstellungen eher auf der Grundlage von Fähigkeiten und nicht von Abschlüssen vornehmen.
Fazit:
Abschließend könnten wir es nicht besser auf den Punkt bringen wie Todd Rose, CEO der Denkfabrik Populace und Autor von "Collective Illusions: Conformity, Complicity, and the Science of Why We Make Bad Decisions":
„Gen Z braucht Ansätze, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln, sowie Wege, um sich einbringen und Erfüllung finden zu können. Anstatt also so zu tun, als ob alles wieder so wird wie früher, oder als ob alles in Ordnung wäre, wenn wir nur die Kosten für die Hochschulbildung um ein paar Tausend Dollar senken, verpassen wir die Chance, etwas Wesentlicheres in dieser Entwicklung auszumachen. Wir wären als Gesellschaft viel besser dran, wenn wir die Generation Z nicht als Kinder betrachten und behandeln würden, sondern als junge Erwachsene, die sie sind, und uns fragen würden: 'Was brauchen sie, um als Erwachsene zu gedeihen?' Und ich denke, wir schulden ihnen ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten, sich entfalten und einen Beitrag leisten zu können.".
Was deutlich wird: Die Lernpräferenzen von Gen Z haben sich grundlegend verändert. Bildungsverantwortliche stehen vor der Herausforderung, diese Bedürfnisse zu integrieren und passende Lösungen und Strategien zu entwickeln. Was sich nach einer großen Aufgabe anhört, ist es auch. Trotzdem: Es ist an der Zeit, innovative Lernformate zu schaffen, die die Gen Z auf ihre zukünftigen Anforderungen vorbereiten und sie ein Leben lang begleiten.