Früher war alles klar geregelt: Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Drei Hauptmahlzeiten strukturierten den Tag im deutschsprachigen Raum und im Familienalltag

Snacks? Eine süße Belohnung oder schnelle Lösung bei Heißhunger. Kindern wurde der Konsum der tendenziell ungesunden Zwischenmahlzeiten so gut es ging eingeschränkt. Sie sollten den Hunger für die großen Mahlzeiten und etwas „Richtiges“ zu Essen aufsparen. Auch die Anweisung „Zum Abendessen bist du zu Hause“ war – zumindest meistens – akzeptiert und war sinnvoll, denn gemeinsame Mahlzeiten waren lange der zentrale Treffpunkt im Familienleben. Individuelle Vorlieben oder Abneigungen haben dabei oft eine untergeordnete Rolle gespielt. Aus heutiger Sicht klingt das steif und verstaubt, obwohl es gar nicht so lange her ist. Kein Wunder, es hat sich seitdem einiges verändert.

Die Moderne Esskultur
Wir erleben die Erosion der Mahlzeiten, den Übergang von einer traditionellen zu einer modernen Esskultur. Gesellschaftliche Megatrends bilden den Ursprung für den Wandel unserer Esskultur. Der moderne Weg der Nahrungsaufnahme passt sich an, an einen dynamischen Alltag, an flexible Tagesabläufe und die Individualisierung von Lebensstilen. Quelle

Essens-Strukturen, welche Stabilität und Sicherheit gegeben haben, wurden getauscht gegen Freiheit, Flexibilität und Individualität. Die Etablierung der modernen Esskultur verlangt im Gegenzug ein höheres Involvement des Individuums (zumindest dann, wenn auf gesunde und ausgewogene Ernährung geachtet wird). Entscheidend ist auch, wie der Snack-Begriff sich im Wandel neu definiert hat: Snacks sind nahrhafter, gesünder und vielfältiger geworden.

„Jedes Lebensmittel, jede Speise kann zu einem Snack werden. Und jede Speise kann an einem Tag ein Snack sein, an einem anderen eine Mahlzeit.“ Hanni Rützler Quelle

Gewohnheit für Generation Z, Normalität für die Alphas
Leben mit Snacks und Mini-Mahlzeiten: Was für viele Erwachsene eine bewusste Veränderung ist, gehört für Generation Z zur Alltags-Normalität und ist das, was Generation Alpha von klein auf lernt. Dafür muss man wissen, dass die grundlegende Prägung von Essverhalten in der frühkindlichen Phase stattfindet – etwa bis zum vierten Lebensjahr. Quelle Wir leben heute mitten im gesellschaftlichen Transformationsprozess. Während wir also alle in einem (mehr oder weniger) stabilen Gerüst aus traditionellen Mahlzeiten groß wurden, sind Alphas die Ersten, welche mit der modernen Esskultur aufwachsen. Sie haben die offizielle Erlaubnis, jederzeit und überall zu essen. Sie sehen ständig, wie andere Kinder und Erwachsene essen. Snacks sind omnipräsent und decken diverse Geschmacksprofile und Bedürfnisse ab, die weit über den Hunger selbst hinaus gehen.

Einmal durch die Kindheit gesnacked
Bio-Riegel (gerne auch mit Eisenzusatz) als zweites Frühstück, Bananenchips zur Unterhaltung im Fahrradanhänger und selbst gemachte Brokkoli-Taler für die gesunde Mittagspause in der Kita. Alphas wachsen in einem Schlaraffenland auf – wenn es um die Nahrungsaufnahme geht. Für jeden Geschmack, für alle Entwicklungslevel und für jedes individuelle Bedürfnis findet sich das richtige Rezept oder direkt das passende Produkt in den vollen Regalen unserer Supermärkte. Der junge Snacking-Alltag bringt einige Vorteile für Kinder, Eltern und Familien. Zum Beispiel nimmt es Stress, die ganze Familie pünktlich am Esstisch zu vereinen und ein Gericht auf den Tisch zu zaubern, was allen schmeckt. 

Die Omnipräsenz von Essen im Alltag birgt auch Nachteile: Für Eltern die Aufgabe, immer und überall einen Snack bereitzuhalten, für Kinder die Gefahr von unkontrolliertem Essen und ungesunden Gewohnheiten. 

Die Snack-Liebe unserer Gesellschaft wächst immer weiter (das Angebot ist ja auch verlockend), aber so kinderleicht, wie sich das Durch-den-Tag-Snacken anhört, ist es nicht. Umso wichtiger, dass Wegbegleitende, Marken und Bildungseinrichtungen sich die Veränderungen in der Esskultur bewusst machen, um Kinder auf ihrem Weg zu einem gesunden und ausgewogenen Alltag begleiten zu können. 

Fünf Veränderungen, die den Ernährungsalltag der Alphas & ihrer Familien prägen

  1. Mahlzeitstruktur mit weniger Struktur
    Wie das Modell oben bereits zeigt, werden Mahlzeiten kleiner und über den Tag verstreut. Das Abendessen ist heute die wichtigste gemeinsame Mahlzeit in den meisten Familien. Unter der Woche essen 90% an 3-4 Tagen gemeinsam mit zumindest einem Teil der Familie zu Abend. 21% lassen das Frühstück ausfallen und Mittagessen gibt es bei einem großen Teil in der Schule oder im Hort. Spätestens ab dem Wechsel auf eine weiterführende Schule wird sich auch mal gerne am Kiosk oder in der Bäckerei nebenan selbst etwas gekauft. Quelle Die aufgelösten oder zumindest gelockerten Strukturen erfordern eine frühere Selbststeuerung und Disziplin von den Kindern. Was bereits vielen Erwachsenen schwerfällt, ist eine noch größere Herausforderung für Kinder. Um die Ernährung gesund zu gestalten, müssen sie früh lernen, aus einem großen Angebot sinnvoll zu wählen. 

    Früher als andere Generationen werden die Alphas dazu animiert, sich bewusst mit der eigenen Ernährung auseinanderzusetzen. Eine individuelle und gute Wahl setzt das grundlegende Verständnis für die ausgewogene Zusammenstellung einzelner Mini-Mahlzeiten voraus. Auch dafür, den eigenen Körper und dessen Bedürfnisse zu achten, um sich für den richtigen Zeitpunkt, die richtige Portionsgröße und das richtige Produkt zu entscheiden. Eltern sind hier ein großes Vorbild, aber auch der Einfluss der sozialen Medien ist nicht zu unterschätzen. Für Eltern bedeutet die Lösung von geregelten Strukturen mehr Gestaltungsfreiraum. Erfordert im Gegenzug eine kleinteiligere Planung, um Kind(ern) und sich selbst gerecht zu werden. Spezifisch auf die Bedürfnisse ihrer Kinder ausgerichtete Produktformate, aber auch Apps zur Einkaufs- und Rezeptplanung sind eine willkommene Hilfe. Quelle
     
  2. Individuelle Nährstoffaufnahme
    Die Individualisierung der Nährstoffaufnahme durch flexibel zusammengesetzte Mahlzeiten, mehr Interesse am Thema Gesundheit und eine wachsende Auswahl an gesundheitsfördernden Produkten eröffnet die Möglichkeit, diverse Nährstoff-Bedürfnisse abzudecken. Gleichzeitig erhöht das auch den Anspruch, möglichst jedes kleine Bedürfnis ideal zu erfüllen. Quelle Was vielversprechend klingt, ist im Familienkontext nicht immer leicht umsetzbar und setzt insbesondere viele Eltern unter Druck. Bei Kleinkindern können sie die Nährstoffaufnahme zunächst gut steuern, wenn gewünscht auch gezielt mit Ergänzungsmitteln in beliebten Snackformaten aufwerten. Im Teenager-Alter braucht es dann die Eigenverantwortung der Kids, um den Überblick zu behalten. Eltern und auch Kinder brauchen sichere Orientierungshilfen, um in ihrem ständigen Auswahlprozess zu den passenden Produkten greifen zu können. Dass diese Aufklärung nicht unbedingt direkt am Produkt stattfindet, zeigt uns der Nutri-Score: 66% der Eltern geben an, dass dieser keinen Einfluss auf ihre Kaufentscheidung nimmt. Quelle
     
  3. Mehr Spielraum – auch für ungesunde Gewohnheiten
    Die moderne Esskultur gibt Kindern früh die Freiheit, selbst zu entscheiden, was und wie viel sie essen. Diese Freiheit macht es möglich, persönliche Präferenzen gut zu bedienen, verschafft gleichzeitig auch den Raum für unausgewogenen und unkontrollierten Konsum von Lebensmitteln. Eine Gefahr, welche die moderne Esskultur gerade für Kinder mit sich bringt. Jedes 6. Kind in Deutschland ist übergewichtig, in der Altersgruppe der 11-13-Jährigen jedes 5. Kind. Quelle Eine alarmierende Zahl, die im Kontrast zum Gesundheitsbewusstsein der Gesellschaft steht und im Kontext der sich entwickelnden Esskultur nach Leitplanken schreit. Quelle 
     
  4. Essen aus Lifestylegründen
    Mit der Präsenz von Snacks im Alltag haben sie sich (noch mehr) zu einem Mittel der Selbstdarstellung entwickelt. „You are what you eat“ – Essen ist heute mehr denn je zu einem Lifestyle geworden. Die vielen kleinen Mahlzeiten machen es zudem leichter, Bedürfnisse zu bedienen, die über die Nährstoffaufnahme hinaus gehen. Bei Erwachsenen geschieht das mal ganz bewusst und mal ohne große Absicht. Während Snacken früher primär eine Belohnung war oder einen schnellen Energieschub lieferte, wird heute auch gegessen, um ein Statement zu setzen. Snacken für den guten Zweck – im Kontext des eigenen Ernährungsbildes oder bezogen auf die Umwelt. Gesundheit und Nachhaltigkeit sind präsente Themen im Alltag von Gen Z und den Alphas. Das zeigt sich bei älteren Kindern, aber auch bei Eltern, die Marken und Produkte basierend auf Werten und Einstellungen auswählen.  
     
  5. Familienerlebnis statt Routine
    Für viele Eltern bedeutet ein gemeinsames Essen unter der Woche erst mal Stress. Häufig scheitert es sogar, da sie nicht zur selben Zeit wie das Kind zu Hause sind. Quelle Feste Essenszeiten und der Familientreffpunkt am Esstisch sind kein alltäglicher Standard mehr und machen Familienmahlzeiten damit zu einem kleinen Erlebnis, was häufig auf das Wochenende gelegt wird. Auch das gemeinsame Kochen hat nach der Corona-Pandemie an Beliebtheit gewonnen. Quelle Sich Zeit für die Zubereitung und das gemeinsame Essen zu nehmen, stärkt nicht nur die Familienbindung, sondern kann zu einer guten Beziehung zu Lebensmitteln und Nahrungsaufnahme beitragen. Besonders für Kinder ist es eine gute Möglichkeit, beim Kochen mitzuhelfen und dadurch spielerisch den Umgang mit Lebensmitteln zu erlernen. Lebensmittel mit allen Sinnen erfassen – das macht Kindern Spaß und hilft ihnen, die kulinarische Welt für sich zu entdecken. Quelle 

Sich mit Snacks gesund und ausgewogen zu ernähren, muss gelernt sein. Viele Eltern der Alphas übernehmen hier Verantwortung aber nicht alle haben das Wissen, die Zeit und Möglichkeiten, ihren Kindern genau das mitzugeben. Die moderne Esskultur ist das, womit Unternehmen, Marken und Bildungsanbieter sich auseinandersetzen müssen, um Alphas und ihre Wegbegleiter im Kontext Ernährung zu begleiten. Die Erosion der Mahlzeiten bedeutet mehr als eine Neustrukturierung des Alltags. Sowohl in Kommunikation als auch in der Konzeption von Produkten, Aufklärungskampagnen oder Bildungsinhalten spezifisch für Kinder und Familien ist das Verständnis über die moderne Esskultur Grundvoraussetzung.