Short Summary

  • Early Career Kandidat:innen wissen zwar, was sie wollen, aber nicht, welche Jobs dazu passen
  • Selbstbewusstes Auftreten in Bewerbungsprozessen wird häufig mit Job-Ambivalenz oder fehlender Bindungsfähigkeit bewertet
  • Studie liefert neue Erkenntnisse über die persönliche Verfassung von jungen Bewerbenden

Vor kurzem berichteten wir über Gen Z und ihr verändertes Verhalten am Arbeitsmarkt. Hier haben wir auch die Überlegung aufgeworfen, ob aktuell angewandte Hiring Prozesse – die stark wettbewerbsorientiert angelegt sind – zur fehlenden Bindung junger Bewerberzielgruppen beitragen können.

Die Studie (2024) der Recruiting-Plattform RippleMatch befragte Gen Z Early Career Kandidat:innen und liefert eindeutige Signale: Laut der Studie trauen 57 Prozent der Gen Zler sich selbst nicht zu, einen Arbeitsplatz zu identifizieren, der gut zu ihnen passt. 70 Prozent der Befragten würden eine bereits zugesagte Position wieder absagen, wenn eine andere Aufgabe besser zu ihren langfristigen Karrierezielen passen würde. Eine undankbare Situation als Arbeitgeber:in, aber auch als Berufseinsteiger:in.

Was dahinter steckt? Unsicherheit, Unzufriedenheit, Zeitdruck und die in der Gen Z stark ausgeprägte Werteorientierung?  Um darauf eine konkrete Antwort zu finden, hilft es, sich die aktuelle Situation beim Eintritt in das Arbeitsleben nochmal bewusst zu machen:

No News: Eine besondere Lebensphase
Für viele junge Menschen handelt es sich um die allerersten Job-Aktivitäten ihres Lebens. Bedeutet, wir sprechen über die Job-Phase als Trainee, Junior- oder Professional. Der Einstieg in das Arbeitsleben. Geprägt von geringen Erfahrungswerten und der Suche nach Orientierungshilfe in einem unbekannten Alltag und Umfeld. In dieser Lebensphase ist der Wunsch sehr ausgeprägt, sich fachlich, wie persönlich zu verorten, Erfahrungen zu sammeln, die möglichst vielfältig sind und einen voranbringen. Diese Anforderungen treffen natürlich auf jede Generation zu. Generation Z zeichnet sich aber über zwei Besonderheiten aus: Sie treten für den Anspruch, mit ihren Fähigkeiten etwas zu tun, was sie als sinnvoll einstufen, besonders nachdrücklich ein. Und sie betreten den Arbeitnehmermarkt in einer Zeit, wo sie besonders gebraucht werden.

(Scheinbar) selbstbewusst trotz Unerfahrenheit
Das ist eine Ausgangssituation, die Bewerber:innen und potenzielle Arbeitgeber:innen heute häufig mit genervten Blicken auseinander gehen lässt. Denn die Early Career Kandidat:innen aus der Gen Z treten Arbeitgeber:innen meist sehr selbstbewusst gegenüber. Was einigen als „überheblich“ oder gar „frech“ erscheint, ist für die Gen Z Teil der eigenen Selbstdarstellung, in Momenten, in denen es darauf ankommt. Dank Social Media haben sie schon vor dem Eintritt in das Arbeitsleben gelernt, sich selbstbewusst und stolz zu präsentieren. Durch die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst, ihrem Wesen und ihren Eigenschaften sind junge Menschen häufig besonders gut darin, zu benennen, was sie nicht möchten. Herausfordernd für Arbeitgeber, die es bisher gewohnt waren, ihren Nachwuchs passgenau in ihre Strukturen und unternehmerischen Vorstellungen zu integrieren. Gleichzeitig eine große Stärke, die Vertreter:innen der Gen Z in eine Organisation einbringen können. Das darf dennoch nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass Berufseinsteiger:innen ihre individuellen Stärken und Potenziale als Arbeitnehmer (noch) nicht kennen – woher auch? 

Kaum Einblicke in die „echte“ Arbeitswelt
Um fair zu sein, muss man anerkennen: Arbeitgeber geben sich heute große Mühe, im Young Employer Branding attraktiv zu sein. Und viele machen das auch wirklich gut, wie die Kampagne der Boston Consulting Group zeigt.

Auch im Arbeitsalltag wurde mittels spezieller Job-Rollen wie „Trainee“ oder „Junior Professional“ in der Vergangenheit etwas dafür getan, einen möglichst sanften Einstieg zu gestalten. Allerdings gibt es weiterhin eine Lücke in der Arbeitnehmer-Journey: Zwischen der Aufmerksamkeit schaffenden Kampagne und dem erlebten Arbeitsalltag als Berufseinsteiger:in kommt der Erlebnis- und Erfahrungs-Teil meist zu kurz. Das ausgerechnet im Umgang mit Gen Z, der Zielgruppe, die genau danach verlangt.

Viele junge Bewerbende wissen nicht, zu welchen Aufgabenbereichen und Rollen sie sich wirklich verpflichten. Und seien wir doch mal ehrlich: Job-Bezeichnungen sind heute häufig abstrakt, SEO-optimiert und geben wenig Aufschluss über die eigentliche Tätigkeit. Wie soll man sich da gut orientieren können? Fragt man Schüler:innen und Studierende, haben diese bereits früh ein Bewusstsein dafür, wie wichtig ihnen Praxisbezug ist. Sie wünschen sich schon in ihrer Ausbildung an Schulen und Universitäten vertiefte Einblicke in reale Problemstellungen und damit mehr „Lernen in the Flow of Work“. Eine echte Chance für Unternehmen, um hier aktiv zu werden und nachhaltig zu überzeugen. 

Zwischen Lifestyle und täglichen To Dos
Die Entscheidung für einen Job bedeutet für Gen Z eine Entscheidung für eine wichtige Lern-, Entwicklungs- und Wachstumsreise. Das bewusste Annehmen von Herausforderungen und Möglichkeiten. Aber auch die gewählte Selbstdarstellung des eigenen Wesens/ das Einbringen individueller Stärken und Beiträge. Zwar ist die Erwartungshaltung, dass man ein Leben lang denselben Job ausübt, in der jungen Generation längst überholt. Gleichzeitig ist das Bedürfnis junger Menschen aber höher, einer Tätigkeit nachzugehen, die zum eigenen Wesen passt; die einem persönliche Freude bereitet und Identifikationspotential bietet – also weit mehr darstellen wie ein alltägliches To Do.

Während der Job bei den Millennials etwas Gutes (für die Welt, das Umfeld, die Menschheit…) schaffen sollte, ist dieser Rückschluss für Gen Z nicht zwingend notwendig. In ihrem Alltag verlagert sich der Purpose in die Freizeit. Umso wichtiger ist ihnen dafür, dass dieser Freiraum gegeben ist.  Der Jobmarkt verändert sich sichtlich (dank der Corona-Pandemie). Flexible Arbeitszeiten, Remote- oder Hybrid-Stellen sind, da wo das Jobprofil es zulässt, der erwartete Standard für Gen Z. Allerdings reicht das allein nicht aus. Worauf es ankommt? Ansätze, welche den Schritt in das „Erwachsenen-Leben“ für Gen Z so smooth und wertschaffend wie möglich gestalten. Im Hier und Jetzt, aber auch mit Potenzial für die Zukunft. 

Betrachten wir die Situation des Berufeinstieges. Was deutlich wird: Auf beide Seiten herrscht Frust. Die Perspektiven sind grundlegend unterschiedlich, zudem beruhen Erwartungshaltung und Verhalten auf verschiedenen generationsbedingten Prägungen. Wir können also festhalten: Ja, es bestehen Barrieren.

Zeit also für neu gedachte Young Candidate Journeys!
Um erfolgreich in die Zukunft zu gehen, braucht es neue Konzepte. Die vor allem eines leisten sollen: junge Bewerbende und Arbeitgeber anders zusammenzubringen. Hier folgen drei Impulse, die helfen sollen, eine Young Candidate Journey so auszurichten, dass sie den Bedürfnissen von Arbeitgebern entsprechen, aber auch junge Talente begeistern.

1. Lern- und Entwicklungs-Missionen statt fixer Job-Rollen
Fixe Aufgaben- und Jobdesigns sind, wie das Wort schon besagt: Fix. Und genau hier wird es schwierig. Jobdesigns geben die Schwerpunkte, Prozesse und Aufgaben genau vor. Wenig Raum also für individuelle Entwicklung, Selbstverwirklichung oder Mitgestaltung. Dabei ist es genau das, worauf die Vertreter:innen der Gen Z großen Wert legen. Lernen in Unternehmen findet traditionell in ausgewählten Weiterbildung- oder Talentmanagementprogrammen statt, die sich außerhalb der eigentlichen Aufgabe befinden. Wenn das Jobdesign aber Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten in die Aufgabe integriert, wandeln sich Aufgaben mehr in Richtung Problemstellungen (=problem-based), Herausforderungen (=challenge-based) oder Lösungsentwicklungen (=action-based). 

Beispiele, die einen solchen Ansatz auf Unternehmensseite ganzheitlich verfolgen, sind uns bisher nicht bekannt. Dafür nehmen Lernanbieter, wie die Tomorrow University hier eine Vorreiterrolle ein: Die Online-Uni hat den klassischen modul- und fächerbasierten Curriculums-Aufbau zugunsten von spannenden Challenges umgestellt. Studierende lernen nicht mehr aus Lehrbüchern, sondern von aktuellen Real World Problemstellungen. Internationale Unternehmen, Start-ups und NGO’s liefern der Uni konkrete Challenges, an deren Lösungen sie selbst gerade arbeiten und involvieren die Studierenden. Die Lernenden sind hier nicht „nur“ fachlich gefordert, sondern entwickeln stetig ihre Soft-Skills wie Co-Creation, Beziehungsgestaltung und Kommunikation weiter. 

Übertragen auf Gen Z Jobdesigns ist der Ansatz zur individuellen Gestaltung von Jobdesigns spannend, da junge Mitarbeiter-Gruppen
a) das Gefühl haben, sich so aktiv in ein Thema einbringen zu können.
b) dauerhafte Entwicklung stattfindet und Learning-by-problem-solving für wirklichen Mehrwert sorgt.
c) dieses Job-Format viele Möglichkeiten des selbstbestimmten Arbeitens und Lernens bietet.

Bereits bei der Formulierung von Stellenausschreibungen können Lern- und Entwicklungs-Missionen für mehr Attraktivität sorgen: Weniger vorgefertigte Rollen und Aufgaben, dafür spannende Missionen, die darauf warten, in Angriff genommen zu werden. 

2. Persönliche Begegnungsmomente 
Gen Z-Bewerbungskandidat:innen geben an, dass ihnen persönliche Kontaktmöglichkeiten maßgeblich helfen, sich für Jobs zu entscheiden. Trotz aller Employer Branding Aktivitäten müssen wir leider feststellen, dass der Großteil aller Arbeitgeber auch heute noch, wie hermetisch von der Bewerber-Welt abgeriegelt scheint. Social Media-Posts und Podcasts über das Innenleben des Unternehmens sind zwar normal, wirklich „echt“ erscheinen sie allerdings selten. Für Unternehmen, signalisiert das Bedürfnis nach persönlichen Begegnungsmomenten das Interesse an einem Zusammenkommen auf Augenhöhe. Aber auch die große Bedeutung eines Fit auf menschlicher Ebene. 

(Es gibt leider auch hier keine Beispiele, auf die wir verweisen können. Klassische Bewerber- oder Assessment-Tage sind mit dem, was wir proklamieren, nicht gemeint, da hier Bewerbende in Bezug auf klassische Anforderungen „geprüft“ und gerankt werden. Das hat mit Begegnungsformaten/ Journeys, wo es darum geht, Stärken und Potenziale offen kennenzulernen nicht gemeint.)

Die Take-Outs
Weniger Oneway-, und dafür mehr Begegnungsformate. Monatliche Online-Kennenlerntermine oder In-Person-Events können das möglich machen. In solchen Momenten haben Unternehmen Zeit sich zu präsentieren, bieten aber auch Raum für Gespräche und Rückfragen. Reverse-Interesse ist das Zauberwort, welches im Recruiting- Prozess mit Gen Z entscheidend sein kann.

Wo der Job es zulässt, können interaktive Doing-Formate Interesse wecken. Kandidat:innen können sich in ersten repräsentativen Challenges ausprobieren. Netter Nebeneffekt: Challenge Owner aus dem Unternehmen werden gleichzeitig kennengelernt. Achtung: Ein Ranking von Bewerber:innen ist hier nicht das Ziel. Es geht um die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten und Interessen auszuprobieren und auszuloten. Statt von einem Test sprechen wir also von Befähigung.

Schon im Kennenlernprozess ist eine gesunde Feedbackkultur gefragt. Primär sollten Stärken und Potenziale hervorgehoben und gemeinsame Chancen und spannende Herausforderungen thematisiert werden. Neugierde, Offenheit und ein Gespür für die unterschiedlichen Facetten von Talent und Beitrag sind entscheidend, um Vertrauen aufzubauen. 

3. Weniger Formalitäten und Passung, mehr Aktivierungs- und Discovery-Charakter
Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Unternehmen hat erfolgreich Bewerbende über spannende Kampagnen, Jobdesigns und Begegnungsformate begeistern können. Euphorisch macht sich eine/ ein junge/r Gen Z-Kandidat:in daran, sich nun offiziell online für die Early Career Position zu bewerben. Und dann? Erscheint auf dem Bildschirm: „Bitte laden Sie Ihren Lebenslauf hoch“. 

Aua…

Der Punkt, an dem in der Candidate Journey alles auf den „Moment der Wahrheit“ (Moment of Truth) hinsteuert, liegt genau hier: beim Bewerbungsformular. Hier löst ein Unternehmen das Versprechen ein, wirklich daran interessiert zu sein, Menschen in ihrer Vielfalt und in ihren Potenzialen kennenzulernen – oder eben nicht. Es reicht hier sehr wenig, um all die Überzeugungs-Arbeit der vorangegangenen Hiring Prozesse ad absurdum zu führen: Ein Online-Formular, das nach den klassischen Lebenslaufdaten fragt. Felder zum Ausfüllen, die Microsoft Office-oder Sprach-Kenntnisse in Nivau-Level heruntergebrochen haben möchten. Fragen, wie „Warum sollten wir gerade Sie einstellen?“

Gen Z reagiert hier besonders empfindlich. Denn, die junge Generation möchte ja gerade nicht nur für Job-relevante Attribute gesehen, sondern ihr gesamtes Wesen, inklusive noch nicht entdeckte Talente einbringen. Auch wollen sie in keinen Contest eintreten, sondern einen Prozess auf Augenhöhe erleben, der ihre Fähigkeiten und Beiträge aktiviert und würdigt. Wir plädieren daher speziell an dieser Stelle dringend für eine ganz neue Form der Bewerbungs-Journey: 

Online-Vorlagen mit Discovery Charakter
So wie sich in bisherigen Online-Vorlagen das Mindset offenbaren kann, dass man als Unternehmen trotz aller Marketing-Beteuerungen doch „nur“ an den klassischen Beiträgen von Bewerbenden interessiert ist, kann sich an dieser Stelle auch die Fähigkeit zeigen, dass man es eben nicht dabei bewenden lässt. Immerhin geht es nicht nur um Jobs, sondern um Herausforderungen, die auch wirklich etwas verändern und verbessern sollen (oder?).

Gen Z möchte ganzheitlich in ihrem Potenzial gesehen werden und stärkende Rahmenbedingungen erfahren. Wie wäre es daher, wenn man ganzheitliche und persönliche Dinge wissen möchte: „Was fasziniert Dich an dieser Challenge?“, „Wenn Du es Dir aussuchen könntest: Welche Themen würdest Du gerne eigenaktiv vorantreiben?“, „Gibt es etwas, das wir in der Challenge noch nicht angedacht haben, dass Du aber wichtig findest“? „Wenn Du bei uns anfängst: Was würdest Du super gerne lernen und vertiefen – für diese Challenge, aber auch für Dich als Mensch“? 

Es gibt Fragen, die den Raum eröffnen, gemeinsam Fähigkeiten, Begeisterung und individuelle Motivation zu aktivieren, auszuloten und sich darüber gegenseitig kennenzulernen. Bewerbungs-Journeys mit Discovery Charakter können genau maßgeblich beitragen. Aber nicht nur das: Sie helfen jungen Bewerbenden, sich selbst besser zu verstehen, was authentische emotionale Prozesse in Gang setzt und damit ihre Identifikation mit dem Unternehmen maßgeblich erhöhen kann. Eine Chance, die noch viel zu wenig an dieser Stelle realisiert wird. 

Auch für HR-Verantwortliche entstehen erweiterte Möglichkeiten. Sie können in einem Discovery Prozess zu Faciliator:innen und Mitentdecker:innen werden, was ihrer ureigenen Aufgabe – Potenzial zu aktivieren und zu entdecken – sehr entgegen kommt.

Fazit
Junge Menschen bewerben sich nicht für einen Job, um beschäftigt zu sein. Sie stehen an der Schwelle zu einer neuen spannenden Lebensphase. Ein Schritt den sie, beruhend auf ihrem Wesen, achtsam und bewusst gehen. Es muss viel für sie passen, um sie für einen Job zu begeistern. Insbesondere die Art, wie der Weg dahin gestaltet wird. Arbeitgeber sollten die Herausforderung mutig annehmen, den Eintritt junger Menschen in das Arbeitsleben konsequent aus deren Brille zu betrachten und ihnen neue Erfahrungen zu ermöglichen. Keine Frage, ein anspruchsvolles Unterfangen für Arbeitgeber. Dafür bekommen sie viel zurück: Motivation, Begeisterung und überzeugtes Commitment. 

Es wäre nicht das erste Mal, das Gen Z auf wertvolles und zukunftsweisendes Transformationspotenzial aufmerksam macht. Vielleicht macht es daher auch hier Sinn, diese Generation als Botschafter:innen für notwendige Entwicklungen in Future Work ernst zu nehmen.